Das Märchen vom klimaneutralen Fliegen
E-Fuels ist in der Klimadiskussion das Zauberwort für die Anhänger von Verbrennungsmotoren. Auch der Luftverkehr setzt auf diese Kraftstoffe.

E-Fuels, abgeleitet aus dem englischen Wort electrofuels, sind synthetische Kraftstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren laufen können. Sie werden mithilfe von Strom aus Wasser und CO2 in einem sehr komplexen und aufwendigen Verfahren hergestellt. Aus Strom kann dabei wahlweise E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin entstehen. Wird Ökostrom genutzt und das für die Herstellung von E-Fuels benötigte CO2 aus der Atmosphäre gewonnen, sind diese theoretisch klimaneutral einsetzbar. Bisher gibt es kleinere Pilotanlagen für die Forschung und Entwicklung von E-Fuels. Führend dabei ist die TU Bergakademie Freiberg in Sachsen. Im emsländischen Werlte in Niedersachsen etwa wird an CO2-neutralem Kerosin getüftelt. Die produzierten Mengen reichen gerade, um ein (1) Flugzeug starten und nach zehn Minuten wieder landen zu lassen. Doch die Herausforderungen bei der Entwicklung sind riesig. Der Wirkungsgrad der eingesetzten Energie liegt bei weniger als 20%. Es wird also eine geradezu gigantische Menge an erneuerbaren Energien benötigt. Niemand weiß, wo diese herkommen soll. Allein um den aktuellen Kerosinbedarf der Luftfahrtindustrie synthetisch zu decken, wäre mindestens dreimal so viel Solar- und Windenergie nötig, wie weltweit 2021 insgesamt produziert wurde. Hinzu kommt, dass auch die Automobilindustrie E-Fuels benötigt. Im Jahr 2035 werden weltweit noch mehr als eine Milliarde Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf den Straßen unterwegs sein, die über eine Beimischungsquote teilweise mit E-Fuels betankt werden sollen. Das Bundesverkehrsministerium fordert für die Zeit nach 2035 die weiterbestehende Möglichkeit, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren herzustellen, die zu 100% mit E-Fuels betankt werden.
Und das Gesetz der Physik kann auch die FDP nicht außer Kraft setzen: Eine Verbrennungsmaschine erzeugt zu 70% Wärme und bestenfalls 30% Antriebsenergie. EIn elektrischer Antrieb (E-Auto) hat einen Wirkungsgrad von 70 % der eingesetzten Energie, d.h. 40-50 % der knappen Wasserstoffressourcen werden für heiße Luft erzeugt.
Dennoch setzen Luftverkehrswirtschaft und Politik für das Ziel eines klimaneutralen Luftverkehrs fast ausschließlich auf den Einsatz von E-Fuels. Bereits das erste Zwischenziel, das die Bundesregierung gesetzlich festgelegt hat, wird wohl verfehlt. Ab 2026 müssten eigentlich 0,5 Prozent des in Deutschland getankten Kerosins synthetisch hergestellt sein, bis 2030 5%. Doch dies werde laut “Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany” nicht zu schaffen sein. In dem Verband haben sich große Unternehmen der Luftfahrtindustrie und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen. Auch das Umweltbundesamt (UBA) rechnet nicht damit, dass ausreichende Mengen an synthetischem Kerosin hergestellt werden können.
Aber selbst wenn es gelänge, den CO2-Ausstoß des Luftverkehrs mithilfe von E-Fuels weitgehend zu reduzieren, bliebe noch immer ein großes Problem ungelöst. Denn Flugzeuge schaden dem Klima nicht nur durch Kohlendioxid, sondern auch durch sogenannte Nicht-CO2-Effekte. Stickoxide, Ruß, Cirrus-Wolken und Kondensstreifen aus Wasserdampf tragen insgesamt etwa doppelt so stark zur Erderhitzung bei wie das CO2. Forscher und Industrie erwarten zwar, dass auch diese Nicht-CO2-Effekte gesenkt, aber nicht komplett vermieden werden können.
Um klimaschädliche Emissionen zu vermeiden, sollen auch Batterie- und Wasserstoffflugzeuge entwickelt werden. Batterien sind für große Flugzeuge allerdings viel zu schwer, ihre Energiedichte ist im Vergleich zu Kerosin viel geringer. Zum Einsatz werden sie deshalb wohl nur in Kleinstflugzeugen auf kurzen Strecken kommen und dort in Konkurrenz zur Bahn treten.
Auch Wasserstoff ist nur bedingt für den Luftverkehr geeignet. Er braucht viel mehr Platz als Kerosin und wird deshalb kaum für Langstrecken eingesetzt werden können. Airbus entwickelt derzeit mögliche Flugzeugmodelle für mittlere Distanzen. Ein erster Prototyp soll bis Ende dieses Jahrzehnts entwickelt werden. Die Zulassung werde dann noch einige Jahre dauern. Frühestens 2035 soll es in Betrieb gehen. Damit es dann fliegen kann, müsste auch an den Flughäfen die nötige Infrastruktur geschaffen werden – und zwar überall. Das ist herausfordernd, denn flüssiger Wasserstoff muss bei minus 253 Grad gelagert werden.
Was die Branche dagegen bereits in geringen Mengen nutzt sind Bio-Kraftstoffe. Allerdings ist Biomasse – etwa altes Speiseöl, Raps oder Holzreste – nur begrenzt verfügbar und die direkte Erzeugung von Biosprit aus Ölsaaten, Mais, Raps, Getreide oder Palmöl kommt aufgrund der Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion nicht in Frage.
In einer aktuellen Studie der Fachzeitschrift “Nature” kommen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die gesamten klimaschädlichen Emissionen des Luftverkehrs 2050 noch so hoch wie 2021 sein werden, wenn der Flugverkehr so wächst wie von der Industrie vorhergesagt. Diese erwartet mindestens eine Verdopplung bis 2050. Auch die Internationale Energie Agentur IEA sieht keine Chance, die Klimaziele im Flugsektor zu erreichen, ohne die Nachfrage zu bremsen.