Die Forderungen von Fraport und den Fluggesellschaften an die Politik
und die Gegenforderungen der Umweltverbände
Vor der Bundestagswahl und einem möglichen Politikwechsel geht die Flugbranche nochmals lautstark auf die Barrikaden. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport kritisiert zum wiederholten Male die derzeitigen “politischen Bedingungen” für den Luftverkehr. Die staatlich regulierten Standortkosten seien in Deutschland zu hoch. Fraport kritisiert, die Luftverkehrsteuer sowie die Luftsicherheits- und Flugsicherungsgebühr zählten zu den höchsten weltweit. Das sei ein wesentlicher Grund dafür, dass der deutsche Luftverkehrsmarkt Schlusslicht in Europa bei der Erholung des Passagieraufkommens nach der Corona-Krise sei. Nach Angaben des Bundesverbands der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) kämen allein in diesem Jahr Mehrbelastungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro auf den Luftverkehrsstandort Deutschland zu. Der Verband vertritt unter anderem Condor, TUIfly, Eurowings und Lufthansa. Die Konsequenzen seien bereits zu spüren. Deutsche Fluggesellschaften korrigieren ihre Wachstumspläne nach unten, und ausländische Airlines machen einen Bogen um Deutschland. Unter Verweis auf die massive Umweltschädlichkeit des Luftverkehrs weisen Umweltverbände diese Forderungen scharf zurück. Eine sehr gute Gesamtübersicht zum Thema finden Sie unter https://www.hessenschau.de/politik/bundestagswahl/vor-bundestagswahl-was-fraport-und-airlines-von-einer-neuen-regierung-fordern-v1,btw25-luftverkehr-100.html. In diesem Artikel können sie auch nochmals die Positionen der deutschen Parteien ausweislich ihrer Wahlprogramme nachlesen.
Es ist richtig, dass sich der Luftverkehr in Deutschland langsamer erholt als in anderen Ländern. Es bleibt dabei aber unerwähnt, dass Deutschland bei den absoluten Passagierzahlen weiterhin eine Spitzenposition in der EU einnimmt, vermutlich hinter Spanien Platz 2 belegt. Dieses Ranking bestand auch schon vor der Pandemie. In der Entwicklung zurückblieben sind in Deutschland im wesentlichen die Inlandsflüge, die bei ca. 50% der Vor-Corona-Zeit liegen. Insbesondere Geschäftskunden sind entweder auf die Bahn umgestiegen oder nutzen Video-Konferenzsysteme. Zudem sind Bahn-Tickets bei frühzeitiger Reiseplanung recht günstig geworden. Die Verlagerung von Inlandsflügen auf die Bahn ist seit vielen Jahren eine Kernforderung der Umweltverbände und ist politisch und gesellschaftlich gewollt. Dabei finden weiterhin Inlandsflüge von Hannover, Leipzig, Düsseldorf, Stuttgart und Nürnberg nach Frankfurt statt. Auch diese Flüge müssten aus Umwelt- und Lärmschutzgründen sofort eingestellt werden.
Weiterhin haben Billigflieger wie Ryanair ihr Angebot in Deutschland gekürzt, wobei es die angeblich hohen Standortkosten Ryanair und weiteren Billigfluggesellschaften immer noch erlauben, Europaflüge – selbst auf die Kanarischen Inseln – für unter EUR 100 anzubieten. Es bleibt weiterhin unerwähnt, dass die angeblich hohen staatlichen Gebühren nur den tatsächlich anfallenden Kosten entsprechen. Der Staat macht mit diesen Gebühren keine Gewinne, wobei auch dies nicht zu beanstanden wäre. Die Forderung nach einer Reduzierung der Standortkosten entspricht also letztlich der Forderung nach weiteren Subventionen des Luftverkehrs. Die Luftverkehrsabgabe, die je nach Strecke zwischen EUR 14,53 und EUR 70,83 pro Ticket beträgt, beschert dem Staat Einnahmen von ca. 1,6 Mrd. Euro im Jahr. Dem stehen Nichteinnahmen aus einer fehlenden Kerosinsteuer und einer fehlenden Mehrwertsteuer auf internationale Flüge von ca. 13 Mrd. gegenüber. Auch dies lassen Fraport und und die Airlines unerwähnt. Schließlich betragen die kritisierten Standortkosten lediglich ca. 22,50 Euro pro Passagier. Die Luftverkehrswirtschaft beziffert die kritisierten Standortkosten in Deutschland mit 4.5 Mrd im Jahr. Bei ca. 200 Millionen Passagieren ergibt dies den oben genannten Betrag von EUR 22,50 pro Passagier. Die Forderung nach einer Senkung der Standortkosten ist daher scharf zurückzuweisen.
Die schleppende Erholung der Flugbewegungen hat auch einen weiteren Grund, der unerwähnt bleibt: Lufthansa als größte deutsche Airline versteht sich inzwischen als Global Player und unterhält neben Frankfurt und München ausländische Drehkreuze in Zürich, Wien, Brüssel und künftig in Rom. Italienische Staatsbürger sind (wohl) die drittgrößte ausländische Umsteigergruppe am Frankfurter Flughafen. Lufthansa hat Anteile an der italienischen Airline ITA Airways (früher Allitalia) erworben und wird diese in den Konzern integrieren. Lufthansa hat sich in Verträgen mit dem italienischen Staat und ITA Airways verpflichtet, Rom zu einem Drehkreuz weiter auszubauen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass künftig Passagierströme von den USA nach Italien und umgekehrt nicht über Frankfurt sondern direkt nach Rom geleitet werden. Hierüber spekuliert auch https://www.airliners.de/gedankenfluege-bedeutet-ita-lufthansa-group-muenchen-frankfurt/79087 und fragt zu Recht, was dies für die Drehkreuze in Frankfurt und München bedeuten könnte. Jedenfalls die großen Metropolstädte in den USA wie New York, Washington und Los Angeles (sowie weitere Städte) werden von ITA Airways von Rom direkt angeflogen.
Ryanair macht seine Rückkehr an den Frankfurter Flughafen auch ganz ungeniert von einem “außergewöhnlich Incentivprogramm” abhängig. Dies äußerte der Deutschland-Chef von Ryanair, Marcel Pouchain Meyer kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er befürchte allerdings, dass die Lufthansa dies nicht „durchgehen“ lassen werde. Er meint damit vermutlich, dass Lufthansa in diesem Fall mit einem Abzug von Kapazitäten drohen werde. Ryanair verlangt also für einen Ausbau des Luftverkehrs in Deutschland nicht nur eine Reduzierung bzw. Streichung der staatlichen Standortkosten sondern auch der Gebühren des Frankfurter Flughafens. Offenbar erwartet Ryanair, dass sie die Infrastruktur der Flughäfen in Deutschland und die staatlichen Dienstleistungen nahezu kostenlos nutzen kann, um ihre Gewinne zu maximieren. Fraport wird sich dann auch fragen müssen, ob sie mit einem Kunden wie Ryanair überhaupt Gewinne erzielen kann, denn Ryanair-Kunden sind auch nicht gerade dafür bekannt, in Shopping-Malls großzügig einkaufen zu gehen.
Wir werden uns jedenfalls in den Prozess der Gestaltung des künftigen Koalitionsvertrages zum Thema Luftverkehr/Fluglärm/Klimawandel/Ultrafeinstaub über unsere Kontakte einbringen und zu gegebener Zeit darüber berichten. |